„Karate ist nicht dazu gedacht, im Wettbewerb eingesetzt zu werden, sondern viel eher als ein Mittel,
seine Hände und Füße in einer ernsthaften Begegnung mit einem Raufbold oder Schurken zu
gebrauchen. […] Realität ist ein wichtiges Ziel im Karate-Training. Sich vorzustellen, dass man wirklich
während des Trainings in einem Kampf ist, trägt viel zur Steigerung des Fortschritts bei.“
[Itosu Yasutsune (Ankô), Oktober 1908, in einem Brief an das Erziehungsministerium der Präfektur-Regierung von Okinawa]

Im „Karate-Dojo Hirschberg/Saale e.V.“ wird Karate nach der traditionellen Stilrichtung Shôtôkan-Ryu trainiert. Besonderer Wert wird auf die Tradition der Kampfkunst und die traditionelle Selbstverteidigung, verbunden mit modernen Techniken gelegt.

Aufgrund dessen lehnen wir den Gedanken des sportlichen Wettkampfs ab, da er echter technischer Weiterentwicklung im Wege steht!

Das ursprüngliche Karate ist kein Wettkampfsystem, sondern Karate ist Selbstverteidigung!

Geschichtlicher Hintergrund:

Karate kommt aus dem japanischen und bedeutet soviel wie “leere Hand”. Kara = “leer” bzw. “chinesisch”, wobei die zweite Bedeutung durch die erstere von Gichin Funakoshi[1] ersetzt wurde. Te = “Hand oder Hände”.

Das heutige japanische Karate kommt in Wirklichkeit von Okinawa, der größten der Ryûkyû-Inseln. Die Entfernungen sind beträchtlich. Okinawa liegt 500 Kilometer von Kyushu, 600 Kilometer von Taiwan und 800 Kilometer vom südchinesichen Festland entfernt, doch kreuzen sich hier viele Handelswege. Viele Flüchtlinge aus Japan, China und Korea suchten auf den Ryûkyû-Inseln Schutz vor politischen Verfolgungen. Im 12. Jahrhundert, als die Samurai-Abteilungen der Taira in der letzten Entscheidungsschlacht bei Dannoura durch die siegreichen Truppen der Minamoto endgültig geschlagen waren und in einem ungeordneten Rückzug nach Süden flohen, verschlug es viele auch nach Okinawa. Die Einwohner der Insel lernten auf diese Weise die hochentwickelte Kampfkunst der Japaner kennen. Auch der erste König von Ryûkyû, Chunten (13.Jh.), widmete dem Kriegshandwerk große Aufmerksamkeit.[2] 

Der Ursprung des heutigen Karate ist keineswegs japanisch wie man aus dem Namen schließen könnte. Diese Kampfkunst kennt man dort erst seit etwa 80 Jahren. Sie wurde von Gichin Funakoshi, einem Einwohner Okinawas, nach Japan gebracht. Auf Okinawa wurde diese Kunst, die ursprünglich aus China stammt, zur Blüte entwickelt. Zu verdanken ist dies der Tatsache, dass den Einwohnern auf Okinawa geraume Zeit jeglicher Waffenbesitz verboten war, weswegen sie eine spezielle Art des Kampfes ohne Waffen schaffen mussten. Bei näherer Betrachtung kann man feststellen, dass es in ganz Südostasien wirksame Faustkampfsysteme gibt. Sie sind mit Sicherheit alle aus dem chinesischen Boxen hervorgegangen, das in China heute noch unter dem Namen “Chuang fa”, “Kung Fu” oder “Kempo” geübt wird. Karate ist lediglich das heute bekannteste System, und es ist zweifellos ein Verdienst der Japaner, diese für sie verhältnismäßig junge Kampfkunst auf einen hohen Stand gebracht zu haben. Karate ist die hohe Kunst des unbewaffneten Kampfes und ein ausgezeichnetes System für Fitness und Körperbeherrschung. Ein vielstündiges Training fördert die Gesundheit, führt zu Geschmeidigkeit des Körpers, zu Beweglichkeit und Wachsamkeit des Geistes. Durch Karate werden alle körperlichen und geistigen Kräfte angesprochen. Nicht nur der Kopf wird trainiert, sondern auch alle Körperextremitäten werden gekräftigt, so dass sie gefährliche Waffen darstellen können, mit denen man sich in einer Notsituation höchst wirksam verteidigen kann. Karate fördert ein waches Körperbewusstsein, es führt bei richtigem Training zu einer derartigen Körperkontrolle und Reaktionsschnelligkeit, dass man den meisten Problemen gut gewappnet gegenübersteht.

Diese Methode zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Körper und Geist ist die Grundlage des modernen Karatetrainings, das sich auf optimale Anwendung von physikalischen und physiologischen Prinzipien konzentriert. Die Körperbewegungen und Techniken stimmen voll überein und verbinden geschickte Balance und kontrollierte Kraft. Der Geist wird von Meditationstechniken beherrscht, was zu Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein führt. Karate erfordert Disziplin, Wachsamkeit und Hingabe. Diese Eigenschaften sind besonders wichtig beim Erlernen der Grundtechniken in der “Grundschule” (Kihon), die ein ständiges und geduldiges Üben verlangen, immer in dem Bewusstsein, dass man hier das Fundament zur Beherrschung zu einer der höchstentwickelten und kraftvollsten Kampfkunst legt.

Mit zunehmenden Fortschritt werden die Grundtechniken auch in verschiedenen Kombinationen geübt, so dass man nahtlos von Stellung zu Stellung übergeht und dabei mit großer Schnelligkeit blocken, Schlagen und treten kann.

Beim Erlernen der Grundtechniken sollte man immer ein Maximum an Schnelligkeit und Kraft einsetzen. Es ist wichtig zu lernen, welche Muskelpartie bei welcher Technik das bestmögliche Ergebnis erzielt. Beim Karateschlag ist es ähnlich wie beim Peitschenschlag: Die Kraft kommt aus dem Stiel der Peitsche (Stellung und Hüfte) und pflanzt sich über die ganze Länge der Peitsche (Körper) fort, bis sie die auftreffende Fläche (Faust und Fuß) erreicht. Im Moment des Auftreffens wird ein Höchstmaß an Kraft frei. Die Technik erfordert größtmögliche, kontrollierte Geschwindigkeit und Kraft, was man nur in hartem Training erlernen kann.

Wenn Karate richtig betrieben wird, muss man sich bewusst sein, dass es drei Teilbereiche gibt, die ständig gleichmäßig trainiert werden müssen. Zum einem ist es wie schon beschrieben “Kihon”. Die beiden anderen sind “Kata” (Form) und “Kumite” (Kampf).

Wer als Karateka sein Karate vervollkommnen will, kommt an der Kata nicht vorbei. In diesen Bewegungsformen sind Methoden und Kampfstrategien verschlüsselt, deren Beherrschung zu kontrollierter Ausgewogenheit und bestechender Präzision führt. Beim richtigen Erkennen der Inhalte der einzelnen Kata erlernt und versteht man Bewegungen, die zur Abwehr gegnerischer Angriffe und zum Konter verwendet werden können. In den Kata ist der Schlüssel zu effektiver Selbstverteidigung verborgen. Man muss ihn nur finden.

Der freie Kampf ist sicherlich einer der attraktivsten und interessantesten Aspekte des Karate. Hier offenbaren sich disziplinierte Beweglichkeit, beherrschte Schnelligkeit und der scheinbar mühelose Bewegungsablauf zweier Gegner, die ihren Körper vollendet beherrschen. Charakteristisch für den Freikampf ist seine wachsame und doch entspannte Einsatzbereitschaft. Jeder Gegner beobachtet den anderen, sucht Schwächen in der Deckung, um anzugreifen, während er jederzeit darauf gefasst ist, einen Angriff abzuwehren und zu kontern. Hier kann man perfekt die Kata mit dem Kampf (Kumite) kombinieren, denn Kata ist Kampf!

Der Kiai (Kampfschrei) ist ein Punkt, den man einem Anfänger nur schwer beschreiben kann. Der Schrei sollte nicht aus der Kehle kommen, sondern er sollte im Bauchraum entstehen und im Moment von Angriff oder Verteidigung explosionsartig entstehen und auch ausgeführt werden. Das Bestreben eines jeden Karateka sollte darin liegen, bei der Ausführung eines Kiai alle geistige und körperliche Energie in einem Punkt zu konzentrieren. Nicht nur die alten Meister in den verschiedensten Kampfkünsten oder die Samurai verwendeten den Kiai, sondern auch Indianer stießen bei ihren Angriffen Schreie aus, um sich Mut zu machen und mit Ungestüm anzugreifen. Dieser Schrei kann einen Gegner auch schocken. Viele Karateka trainieren jahrelang und beherrschen dennoch nicht die dem Karate zugrunde liegende Zen-Philosophie.

Das oberste Ziel eines jeden “Deshi” (Schüler) sollte die vollständige Beherrschung von Körper und Geist sein – bis zur vollkommenen Harmonie. Ist jemand zaghaft oder schüchtern, sollte er lernen, diese Gefühle auszuschließen um ruhig und wachsam zu werden. Ist jemand aggressiv, sollte er seine Aggressivität beherrschen lernen. Andererseits kann Zorn ungeahnte Kräfte mobilisieren; deshalb sollte ein guter Karateka dieses Gefühl bewußt hervorrufen und trotzdem seine innere Ruhe bewahren können, so dass er alles unter Kontrolle hat. Die Entwicklung des Geistes ist weit schwerer als das Erlernen von Techniken.

Im heutigen Leben spielt Karate einen vielfältige Rolle: als Form der Geschicklichkeit und als System der Selbstverteidigung wird es in Vereinen, Schulen, bei der Polizei und an Universitäten gelehrt. Es bleibt zu wünschen, dass dem Karate Menschen erhalten bleiben, die sich nicht nur mit dem Kampfsport, sondern weiterhin mit dieser jahrhundertealten Kampfkunst auseinandersetzen!


[1]  Vgl. Gichin Funakoshi: Karate – Do. Mein Weg. Werner Kreistkitz Verlag1993,  S.57ff.

[2]  Vgl.  A. Dolin: Kempo – Die Kunst des Kampfes. Ullstein Buchverlage GmbH 6 Co. KG, S. 338